Aus Ortschroniken zitiert

700 Jahre Grebs 1285 - 1985
Unterwegs in der Geschichte eines Dorfes
Ein volkstümliches Lesebuch über Grebs und die Griese Gegend
Autor: Hans Ulrich Thee, Eldena

 

Glaisin - Stadt Ludwigslust

Die Riebe-Raubritterburg bei Glaisin
Am Ende des 13. Jahrhunderts waren die deutschen Herrscher schwach, so daß sich die Lehnsvasallen, zu denen auch die Riebes zählten, jahrelang unbeschränkt durchsetzen konnten und dem Raubrittertum huldigten. Riebe machte die Landstraßen unsicher und beraubte die Warenzüge der durchziehenden Kaufleute und Händler, daß Handel und Wandei stockten. Nun unternahmen Mecklenburger und Lüneburger Fürsten, vereint mit Lübecker Heerscharen, einen Kriegszug gegen Riebe, um ihm sein Raubhandwerk zu legen. Diesmal hatte sich der Ritter im Ratzeburger See auf einer Insel gelegenen Raubburg so verschanzt, daß die Belagerer trotz wochenlanger Einschließung und Bestürmung erfolglos abziehen mußten. Ein Teil der Belagerer fuhr auf der Trave nach Lübeck zurück, der andere auf der Stecknitz in Richtung Lüneburg. Der Rest mit den mecklenburgischen Fürsten und den Lübecker Kaufherren marschierte mißmutig auf der Landstraße in die Heimat ab. In der Hauptsache waren es lange Wagenreihen mit schimpfenden Troßknechten. Mühsam zogen die Pferde die schweren Lasten durch die verschlammten Wege. In einem Quertale machte man am Abend halt.

Hermann Riebe hatte sich gleich nach dem Abzuge der Belagerer mit einer starken Reiterschar aufgemacht, um die Nachzügler und namentlich den Troß zu überfallen. Doch die Mecklenburger und Lübecker waren auf der Hut. Die aufgestellten Wachen und Posten paßten rechtzeitig auf, als der Ratzeburger zum Angriff ritt. „In den Sattel!" hieß es, „Vorwärts zum Gegenstoß! Alle Speerträger den Räubern in die Seite fallen und die Bogenschützen von den Hügeln links und rechts auf die Pferde der Feinde schießen! Wer den Hermann von Riebe lebendig fängt, dem sind 50 Mark Silbers sicher!" Es glückt. Riebes Pferd stürzt infolge eines Pfeilschusses zusammen. Er gerät in Gefangenschaft, ebenso seine Knappen. Nach längeren Verhandlungen in Dutzow im Jahre 1291 muß der Raubritter in die Bedingungen einwilligen: Alle seine Raubburgen schleifen und den angerichteten Schaden der letzten Jahre ersetzen, dann Urfehde für das ganze Land schwören. Raubritter Riebe spielte eine furchteinflößende Rolle. Sein Familienanhang soll über 9 Burgen geboten haben, u. a. im Ratzeburger See, Dutzow am Schaal-See, Hitzacker, Redefin, Walerow (Woosmer), Junker Wehningen und Glaisin. Trotz ihres Untergangs vor Jahrhunderten sind diese Raubritterburgen im Gedächtnis der Menschen lebendig geblieben.

Schließlich wurde der Raubritter aus der Haft entlassen und ritt mit seinen Gefährten nach Hause. Alle waren zwar über die harten Bedingungen niedergeschlagen. Doch Hermann von Riebe nicht. „Wir wollen nicht verzagen", rief er aus, „die Burgen zerstören wir nur zum Schein, dann halten wir einige Monate Ruhe, und darauf geht es von neuem los. Die Fürsten und Krämer sollen nun erst recht Haare lassen!" Seine Genossen waren nicht so hoffnungsvoll. Sie wiesen darauf hin, daß sie gegen die Fürsten und die Städter nicht ankommen würden. Doch sie fügten sich der Meinung und den Anordnungen des Anführers. So wurden die Burgen nur zum Schein etwas zerstört, im Innern aber die Befestigungen verstärkt und die Waffenvorräte vermehrt. Dann ging wieder das alte Leben los, von dem es hieß: „Reiten und Rauben ist keine Schand, das tun die Besten im ganzen Land!" Das ging 7 Jahre so gut. Aber der alte Hermann Riebe ging bei diesen wilden Kämpfen zu Grunde. Sein Sohn, Hermann, der Jüngere, nebst seinem Bruder Eckart übernahmen die Führung. Ihnen zur Seite standen die alten Getreuen Hermann Marneweym, Friedrich Scharpenberg und Johann Sia vestorp.

Doch schließlich einigten sich die Städte und Fürsten und zerstörten eine Raubburg nach der anderen. Endlich sollte es der stärksten Burg, nämlich Glaisin, an den Kragen gehen. Von hier aus hatten die Riebes die Länder Jabel und Wehningen ausgeplündert. Besonders die Lübecker Kaufleute hatten darunter zu leiden, führte doch die alte Landstraße über Lenzen-Gorlosen-Eldena-Glaisin-Hagenow-Lübeck an seiner trefflichen Burg auf der Glaisiner Feldmark nahe der Rögnitz vorbei, dort, wo heute die Straße am Fluß auf dem Wege nach Klein Krams einen Knick macht. Als Überbleibsel ist nur noch ein niedriger Hügel geblieben, da die Glaisiner Bauern die Erde im Laufe der Jahrhunderte abgetragen haben. Der Dannenberger Graf war zu schwach, um sich erfolgreich gegen seinen Lehnsmann durchsetzen zu können, So konnte der Raubritter viele Jahre räuberische Überfälle, Diebstähle und Plünderungen an fremdem Gut in Dörfern und auf Landstraßen unternehmen.

Doch 1298 stellte sich ihm ein großes Aufgebot entgegen: Mecklenburger, Sachsen, Brandenburger und Lübecker waren beteiligt. Ein Jahr lang wurde die starke Glaisiner Burg belagert. Die meisten Verteidiger hatten schon Verwundungen erlitten, viele waren gefallen. Die endliche Eroberung durch die Belagerer war nur noch eine Frage der Zeit. Da geriet der junge Eckart Riebe mit 3 Kriegsknechten in Gefangenschaft. Um seinen Bruder in der Feste einzuschüchtern, zog man einem der Knechte den blauen Kriegsrock des jungen Riebe an und hängte den Mann vor der Burg auf. Doch Riebe gab nicht auf und focht um so grimmiger. Schließlich konnte er in einer stockdunklen Nacht sogar aus der Burg fliehen und gelangte noch abenteuerlichem Ritt auf seine Wallgrabenburg Redefin. Hier wurde er jedoch später ergriffen und wegen seiner vielen Untaten hingerichtet. Die Glaisiner Burg konnte endlich eingenommen werden, sie wurde dem Erdboden gleichgemacht, alle Gefangenen gehängt. (Anmerkung: Einnahme der Riebeburg bei Glaisin am 24.Juni.1298 , Walter Jacobs, Broschüre "Die Wenden zwischen Elde und Sude".)

Die Flucht gelang auch Riebes Kampfgenossen Friedrich Scharpenberg. Er hatte sich im Dunkeln im Wald versteckt und sollte dem nach Redefin Entkommenen über Burg und ihre Verteidigung Bericht erstatten. Mit Mühe und Not hatte er sich in der Nacht herangeschlichen und blickte jetzt mit brennenden Augen auf das Bild vor sich. Die stolze und feste Burg Glaisin lag in rauchenden Trümmern. Das schöne Herrenhaus mit dem hohen Turm war zusammengestürzt. Rundherum im Schutz der Wagen, Zelte und Hütten lagen die Soldaten der mecklenburgischen Landesfürsten Heinrich und Johann Albrecht, dazu Lübecker und Lüneburger Heerscharen beim roten Flackerschein mächtiger Lagerfeuer. Lustig schien es unter den Haufen herzugehen. Die Metkrüge kreisten, die Würfel rollten, die Weiber und Mädchen kreischten. Die Gewappneten gröhlten Lieder und derbe Späße in die Nacht hinaus.

Scharpenberg lachte bitter und schlich weiter um das Lager herum, um zu erkunden, wo die Gefangenen untergebracht waren. Er wollte sie befreien, wenn es irgendwie anging. Nirgends konnte er sie entdecken. Er kroch weiter und zwar dorthin, wo die vielen Troßwagen dicht zusammengeschoben waren und weiter zu den einsamen hohen Kiefern hin, wo ein mächtiges Feuer zum Himmel loderte. Was er nun sah, ließ sein Blut erstarren. Der Scharfrichter war es mit seinen Gesellen, die am Feuer hockten. Der Becher wurde geschwenkt, um einen Rittermantel gewürfelt. Ein Trunkener hielt einen Federhut empor. „Da, die Kappe des Slavestorpers!" lallte er. „Mir her!" schrie ein kropfiger Bursche, „braucht kein Käpplein mehr!" Wieder klapperten die Würfel, und der Kropfkopf riß den Hut an sich und stülpte ihn auf seinen Schädel. „Ja, Ritter Johann, die Kappe paßt mir gut!" Und mit unsicherem Arm schwenkte er den Hut zu den Baumkronen hinauf. Das gröhlende Gelächter der Gesellen begleitete diesen Spottruf.

Nun blickte auch Scharpenberg zu den Bäumen empor, und langsam, langsam, unterschied auch er, was dort los war. Seine Augen wurden weit, seine Wangen weiß, und es war ihm, als wenn eine harte Hand ihn würgte. War es möglich? Ja, ja, dort sah er es wie einen Spuk teuflischer Mächte. Es war grausige Wahrheit geworden, was er auf seinem Ritt hierher befürchtet hatte. Der Scharfrichter hatte sein Werk getan. Der Räuber war zu spät gekommen, um noch retten zu können. Seine Augen hafteten noch immer an dem grausigen Bild. 40 Männer - seine Freunde - hatten ihr Leben lassen müssen. Wie ein ekliges Gewürm kroch das Grauen über seine Seele.

Erst langsam erholte er sich von seiner Betäubung. Zitternd erhob er sich von dem taunassen Boden. „Rache!" murmelte er. „Rache! Sterben will ich, wenn ich dieses Bild vergesse!" Dann schlich er dem Tannendickicht zu, wo sein Knappe mit den Pferden wartete. Im Nu saß der Reiter im Sattel. „Du reite im Galopp auf der Straße zurück und warte hinter der Furt an der Rögnitz auf mich!" rief er dem Burschen zu. „Ich reite rechts im Bogen um das Lager herum!" Ehe der Knecht sich's versah, gab sein Herr dem Hengst die Sporen und flog über Gras und Heide dahin. Er hatte die Lederpeitsche in der Hand und schlug damit die Lenden des Pferdes, daß es in gewaltigen Sprüngen dahersauste.

Jetzt war er in der Nähe der würfelnden Scharfrichterknechte. Mit einem gewagten Sprung setzte er mitten in die würfelnden Henker, und seine Peitsche sauste ihnen um die Ohren. „Der wilde Jäger!" schrie der Kropfhals. „Jesus, erbarm dich!" wimmerte der trunkene Scharfrichter. Ein wildes, höhnisches Lachen des tollen Reiters antwortete ihnen aus der Ferne und die Nachteulen kreischten wie Teufelsstimmen aus den Wald kiefern dazu.

Zu den Belagerern Glaisins vor fast 700 Jahren hatte auch Heinrich II. (der Löwe) von Mecklenburg gehört. 'Da erschienen auf dem Kampffeld Böten und meldeten, daß sein Vater, Fürst Heinrich I., der „Pilger", sich der Heimat nähere. Von den Türken während einer Pilgerfahrt nach Palästina gefangen genommen, nach Kairo in Ägypten verschleppt, hatte er zusammen mit seinem Freund Martin Bleyer 26 Jahre auf der Kairoer Burg im Gefängnis gesessen. Endlich von Sultan Malek al Mansur, der von einer schweren Krankheit geheilt wurde, zum Dank mit vielen anderen Gefangenen entlassen, kehrte er 1297 über Rom zurück. Dort wurden sie 1298 zu Pfingsten dem Papst vorgestellt und trafen in der Stadt den Lübecker Stadtschreiber, der ihnen erste Kunde aus der Heimat geben konnte. Dann ging es nach Glaisin, wo der Sohn den Vater begrüßte. Der Sohn eilte sofort nach Wismar, um seiner Mutter, Athanasia, die frohe Kunde zu überbringen.

Zu Hause überprüften 2 alte Räte die Identität des Heimkehrers. Diese Vorsicht war nötig, weil schon vorher 2 Betrüger sich für den Zurückgekehrten ausgegeben hatten. Der eine, der angab, der Verschollene zu sein, wurde an der Börzower Mühle ertränkt, der andere vor Sternberg verbrannt. In Viecheln am Schweriner See traf der Fürst nach so langer Trennung zum ersten Male wieder mit seiner Gattin zusammen. Sagen über das Raubrittertum Hermann von Riebes haben sich im Volksmund in der „Griesen Gegend" bis heute erhalten. Übrigens kann man im Staatlichen Museum in Schwerin ein Leinwandgemälde Carl Georg Christian Schumachers aus dem Jahre 1836 sehen, das aus der Geschichte Glaisins die Rückkehr des mecklenburgischen Fürsten Heinrich 1. aus türkischer Gefangenschaft zeigt. 1298 war Heinrich Zeuge der Schlacht bei Glaisin.

Ansprechpartner:
Jürgen Behrends
Lindenstrasse 12
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Telefon: 038754-20004

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