Aus Ortschroniken zitiert

700 Jahre Grebs 1285 - 1985
Unterwegs in der Geschichte eines Dorfes
Ein volkstümliches Lesebuch über Grebs und die Griese Gegend
Autor: Hans Ulrich Thee, Eldena

Die "Neue Elde" zwischen Eldena und Dömitz

- Erbaut vor 400 Jahren - Und der Traum vom Elbe-Ostsee-Kanal

 

Der Traum, eine Wasserverbindung Ostsee-Elbe zu schaffen, bestand in Mecklenburg seit dem 14. Jahrhundert. Das beruhte vor allem auf dem Zwischenhandel der Hansestadt Wismar mit dem Lüneburger Salz. Dieser sehr begehrte Handelsartikel kam über Boizenburg/Elbe nach Mecklenburg und wurde mit Gespannen nach Wismar gefahren. Von hier aus wurde das wertvolle Salz in andere Hansestädte weiter verfrachtet und gegen Erzeugnisse aller Art vertauscht. Zeitgenössische Berichte sprechen davon, daß auf Grund der damaligen sehr schlechten Wegeverhältnisse sechs bis acht Pferde die schweren Salzfrachten in Richtung Wismar zogen. '

Eine Änderung trat ein, als Lübeck 1390 mit Sachsen einen Vertrag schloB und über die Delvenau bei Lauenburg, dem Möllner See und der Stecknitz einen neuen Wasserweg schuf und der Salzhandel nach und nach ganz auf diesem Wege vor, sich ging, zumal der Transport auch billiger war als zu Wagen über Land. Nach längeren Streitigkeiten zwischen den beiden Hansestädten an der Ostsee einigten sich der mecklenburgische Herzog Albrecht und die Stadt Lübeck, daß ihm für die entstandenen Nachteile eine Entschädigung von sechs lübischen Pfennigen für jede Last Salz zugesichert wurde.

Doch auch Lübeck und Lüneburg gerieten aus verschiedenen Gründen bald in Zwistigkeiten, so daß die Lübecker Kaufleute versuchten, wieder die früheren Beziehungen mit Mecklenburg anzuknüpfen. Bereits' 1412 und 1430 abgeschlossene Verträge führten erst nach über 100 Jahren dahin, daß 1560 die Schaale und der Unterlauf der Sude reguliert wurden und über den Schaal-See und einen Kanal ein Wasserweg nach Wismar geschaffen wurde. In der Hauptsache wurden auf ihm aber Holz in großen Mengen aus mecklenburgischen Landen geflößt, das die Lüneburger Salinen zum Betrieb ihrer Salzpfannen dringend benötigten. Doch bald gab es auch hier Widersacher, nämlich den Herzog von Lauenburg und das Bistum Ratzeburg.

Nebenbei sei bemerkt, daß Lüneburg in seinen besten Zeiten 54 Salzhäuser besaß, und jedes Haus hatte vier Pfannen, die zum Sieden dienten. Wegen des ungeheuren Bedarfs an Holz wurde Raubbau beim Holzeinschlag betrieben, und so ist schließlich die Lüneburger Heide entstanden. Salz war im ganzen Ostseeraum begehrt, besonders zum Salzen der Heringe und anderer Fische. Die Lüneburger Saline wird übrigens im Oktober 956 zum ersten Male urkundlich erwähnt und war über 1000 Jahre in Betrieb. In den letzten Jahrzehnten wurden die Sudpfannen mit ül beheizt. Als die „Ölkrise" begann und das Salz nicht mehr genügend Profit einbrachte, wurde der Lüneburger Salinenbetrieb im Jahre 1980 eingestellt.

Es reifte ein neuer Plan im 16. Jahrhundert, der Wasserweg Wismar-Dömitz. Er sollte über den Schweriner See, die Stör, die Elde, an den Orten Neustadt und Grabow vorbei, oberhalb Eldenas und unterhalb Gorlosens durch Brandenburger Gebiet, bei Dömitz in die Elbe führen. Schwieriger war die zu bauende Wasserstraße vom Nordende des Schweriner Sees nach Wismar, doch die Natur hatte auch hier in mancher Hinsicht vorgearbeitet.

Nach einem Bericht aus dem 16. Jahrhundert hoffte man auf die Ausfuhr vieler Waren, besonders an Holz und Wild aus den vielen Niederungen an den Ufern von Stör und Elde. Solche Niederungen waren u. a. die Lewitz, der Zuckhut, nördlich von Neustadt-Glewe (vgl. Tuckhude), der Horn(wald), der Jastram zwischen Dadow und Gorlosen. Nach dem gleichen Bericht gab es an Nutzholz besonders Eichen, Buchen, Erlen, und an Tieren: Hirsche, Wildschweine, Rehe, Hasen, Füchse, Birk-, Reb- und Haselhühner, Tauben, Enten, Schnepfen, Krammetsvögel, selbst Biber und Wölfe.

Von 1477 bis 1547 sprechen zwar recht lückenhafte Quellen von erneuten Versuchen, den Wasserweg zu planen. Doch alle Bemühungen, sich mit den Brandenburgern über das letzte Teilstück zu einigen, schlugen fehl. Die in Eldenburg ansässigen Quitzows ließen sogar die Elde sperren. 1531 heißt es in der „Eyn kort Uttoch der Wendischen Cronicon: Ys ok von der stat Wysmare unde dorch hertigen Albrecht von Mekellenborch beginnet worden eyn nye grabe von der Wysmer in de Swerinesken ßee und van da in de Eldena unde ßo fort in de Eibe to schepende na Hamborch." Der Text in niedersächsischer Sprache sagt also aus, daß der mecklenburgische Herzog Albrecht mit dem Bau der Wasserstraße begonnen hatte. Er versuchte ohne Erfolg Kaiser Karl V. für die Schiffahrt zu interessieren. Die Baukosten waren auf 14000 Goldgulden geschätzt worden. Aber der Kaiser hatte andere Sorgen, als den Mecklenburger finanziell mit seinem Kanalbau zu unterstützen.

Von der Stadt Hamburg versuchte man vergeblich 6000 Gulden zu erhalten, auch Danzig und Wismar erteilten ablehnende Bescheide. Trotz aller Widerwärtigkeiten mit benachbarten Fürsten und Städten, trotz aller verlockenden Zusagen durch den Herzog auf spätere Einkünfte durch Zölle und sonstige Privilegien, der mecklenburgische Herzog stand allein und ließ dennoch an der Wasserstraße von Wismar nach Dömitz weiterbauen. Es sind keine Register, Berechnungen oder Pläne aus der Zeit erhalten, dennoch wissen wir, daß drei Anhöhen nördlich des Schweriner Sees durchstochen wurden, und die „Alte Elde" oberhalb Eldenas reguliert wurde.

1552 trat beim mecklenburgischen Herzog ein Mann in den Dienst, dessen unermüdlicher Arbeit es zu verdanken ist, daß das Projekt begonnen und schließlich vollendet werden konnte. Es war der aus Siegen in Westfalen stammende Magister der Mathematik, Tilemann Stella, gleichzeitig Baumeister, Kartograph und Astronom. Für die Wissenschaft besitzen seine Karten und Zeichnungen und die Amtsbeschreibungen sowie die Befragungen der Leute in Mecklenburg heute unschätzbaren Wert. Erinnert sei nur an die von ihm stammende Übersichtskarte von Mecklenburg aus dem Jahre 1552.

Im Mai 1567 fuhren Tilemann Stella, ein Vertreter des Herzogs, ein Bürgermeister und zwei angesehene Männer aus Wismar in einem Boot von einer Elle (= 0,60 m) Tiefgang bei Viecheln am Nordende des Schweriner Sees ab. Sie erreichten nach vier Tagen mühseliger Fahrt Dömitz, dabei mußten sie das Boot über viele flache Stellen ziehen. Diese Fahrt ging damals über Eldenburg; denn der „Neue Kanal" sollte ja erst projektiert werden. Ein Jahr später erkundete eine Kommission unter Leitung des Baumeisters die Strecke zwischen Eldena und Dömitz. Sie führte durch viele Moore und Brüche, z. B, durch das Witte Moor und das sumpfige Gelände, genannt Brandleben, nördlich von Dömitz.

Insgesamt hatte man schließlich acht Trassen ausgekundschaftet. Doch man entschied sich für eine Strecke, die nur auf mecklenburgischem Gebiet lag, d. h. für den Weg, der heute die „Neue Elde" oder „Elde-Kanal" heißt. (Anmerkung Redaktion: ab 1990 Müritz Elde Wasserstrasse)

Herzog Ulrich verhandelte 1567 mit zwei Schleusenmeistern wegen der Schleusen in Grabow und Eldena. Es wurde verabredet, daß jede Schleuse 65 Ellen (= 37,4 m) lang und 12 Ellen (= 6,9 m) breit und 4 Ellen (= 2,3 m) tief erbaut und dem Schleusenmeister dafür 200 Reichstaler, 1 Zentner Speck, 4 Scheffel Roggen, 4 Tonnen Bier und ein frischer grüner Käse gegeben werde. In acht Wochen sollte die Schleuse mit Hilfe von 7 Knechten, 15 Tagelöhnern zum Rammen und 6 Teichgräbern fertig sein.

1568 erhielt Tilemann Stella die Genehmigung, die Wasserstraße, die „Neue Elde" zu bauen. Nun lag der Wasserweg ganz auf mecklenburgischem Boden. Alle Zölle und Einnahmen flossen den Herzögen allein zu. Eine große Hilfe hatte der verantwortliche Ingenieur durch den Dömitzer Wallmeister Jost Spangenberg beim Ausmessen des neuen Flußbettes. Erneute Versuche der mecklenburgischen Herzöge, von Hamburg, Magdeburg und Wismar Zuschüsse zu erhalten, blieben ohne Erfolg. Also mußte eine neue Steuer erlassen werden. Im April 1569 wurde ein herzoglicher Erlaß durch die Prediger von den Kanzeln und durch die Landreiter (Gendarmen) bekanntgegeben, wonach in den Städten jedes Giebelhaus einen halben Gulden, jede Bude (einfaches Haus) sechs Schillinge und in den Amtsdörfern jede Hufe einen halben Gulden und jeder Kossat (Kleinbauer) sechs Schillinge zu den Kosten der neuen Wasserstraße beisteuern sollte. Welche Beträge eingegangen sind, war nicht festzustellen. Einige Landstädte protestierten, da ihre Zustimmung vorher nicht eingeholt worden war. Bezeichnenderweise wurde die reichste Klasse der Gesellschaft, die Ritterschaft, überhaupt nicht zur Steuer herangezogen!

So hatte der Bau im Mai 1568 unter Stella durch Wallmeister Jost Spangenberg mit 104 Mann begonnen. Im November 1569 war der „Neue Graben", wie man den Kanal auch nannte, von der Dömitzer Seite bis ins Witte Moor fertig und auch von der Eldenaer Seite soweit gefördert, daß Spangenberg im Sommer 1570 noch 920 Meter zu bauen hatte, und daß man also hoffte, daß das erste Schiff bald fahren könne.

Doch ein folgenschweres Ereignis drohte die bisherigen Bemühungen zunichte zu machen. Der brandenburgische Kurfürst Johann Georg setzte dem Bau aktiven Widerstand entgegen und drang am 2. August 1571 mit etlichen Adligen, vielen Kriegsknechten und Bauern mit zahlreichem Troß von Lenzen aus ins mecklenburgische Land, zerstörten vier Schleusen zwischen Brandleben und Wittem Moor und rissen einige Teile der „Neuen Elde" weit ein. Sie bedrohten die Arbeiter am Bau mit Aufhängen, schüchterten sie ein und raubten viele Wagen Korn aus dem herzoglichen Besitz in Heidhof. Mit Gegenmaßnahmen zu drohen oder gar einen Krieg gegen Brandenburg zu führen, war Mecklenburg zu schwach.

Doch allen Schikanen zum Trotz war die „Neue Elde" Ende Februar 1572 im wesentlichen fertig. Jost Spangenberg erhielt die Summe von 35005 Gulden 8 Schillinge. Als erstes Schiff fuhr am 9. August 1572 das des Heine Mutze in die „Neue Elde" bei Eldena ein und legte am 11, August glücklich bei der alten Brücke in Dömitz an. Damit war die Fahrt von Eldena nach Dömitz eröffnet. Im Juni 1573 schlug Herzog Johann Albrecht, nachdem er mit zwei Schiffen von Schwerin nach Dömitz gefahren war, vor, daß die Schleusen zwischen Eldena und Dömitz eine Länge von 30,5 Metern und eine Breite von 13 Metern erhalten müßten. 1574 wurde Spangenberg zum Verwalter der „Neuen Elde" eingesetzt. Auf der Kalisser Heide in der Nähe der Elde sollte er ein Haus erhalten. Am 15. März 1575 teilten die Herzöge den Städten Magdeburg und Hamburg mit, daß sie künftig ungehindert den Wasserweg benutzen könnten. Die Lüneburger besaßen immer noch Vorrechte bei der Elbeschiffahrt betreffs ihres Salzhandels und konnten somit auch die Eldeschiffahrt behindern. Auf dem Reichstag zu Speyer 1570 kam in dieser Angelegenheit keine Einigung zustande.

Nach einem aufgefundenen Verzeichnis wurden im April 1570 folgende Fahrzeiten für den Schiffsverkehr geschätzt:

 

Diesem Vergleich sei noch hinzugefügt, daß im Mittelalter ein Frachtwagen auf dem Landtransport von Lüneburg bis Wismar mehr als acht Tage benötigte. Aber immer noch nicht war die Strecke Viecheln, also vom Nordende des Schweriner Sees - Wismar in Betrieb. Die Waren mußten auf Wagen umgeladen werden. Besonders brachte der Transport „schwerer Waren" wie Salz, Teer, Getreide und Eisen Schwierigkeiten.

1577 wurde J. Spangenberg verpflichtet, den Bau fortzuführen. Auch aus Richtung Wismar wurde der Kanalbau wieder begonnen. 1578/80 wurde energisch, teils aber mit großen Schwierigkeiten weitergebaut.

1582 schrieb Tilemann Stella auf herzoglichem Befehl seine „Ichnographie", d. h. eine Beschreibung der Wasserstraße Wismar-Dömitz. Der 1. Abschnitt reichte von Dömitz nach Eldena, und die Elde hatte hier ein Gefälle von 12,6 Metern. Auf diesem Abschnitt befanden sich elf Schleusen.

1. Steinschleuse vor Dömitzabr
2. Schleuse in der Kuhdrift
3. Schleuse bei der Walkmühle
4. Die Schnakenschleuse
5. Schleuse vor dem Brandleben
6. Schleuse auf der Kalisser Heide
7. Schleuse vor dem Witten Moor
8. Die Göhrener Schleuse
9. Die spitze Schleuse
10. Die Stucker Schleuse
11. Die Schleuse zu Eldena

Im 2. Abschnitt Eldena-Viecheln gab es sechs Schleusen. Im 3. Abschnitt ViechelnWismar waren 12 Schleusen geplant, weil der Schweriner See 39,6 Meter höher lag als der Meeresspiegel der Ostsee bei Wismar. Zwischen Dömitz und Wismar waren also 29 Schleusen. Fast war die letzte Strecke fertig. Doch die wirkliche Vollendung ist nie eingetreten. Die Schuldenlast der jungen mecklenburgischen Herzöge und der Stadt Wismar für bereits verausgabte Unkosten beim Bau ließen keine namhaften Aufwendungen mehr zu.

Schließlich verließ Stella 1582 Mecklenburg, nachdem er 18 Jahre unermüdlich für den Kanalbau tätig gewesen war. 1594 gelangte zwar ein Lüneburger Kaufmann mit Salz per Schiff nach Wismar. 1597 war aber die Schiffahrt schon wieder aufgegeben worden, weil unbefestigte Seitenwände eingestürzt, die Erde nachgeschossen, die Wege verschlammt und verunkrautet waren, die hölzernen Schleusentore mangels jeglicher Reparatur verfaulten.

 

Hinweis:
Aktuelle Informationen zur heutigen Müritz Elde Wasserstrasse finden sie auf unserer Hompage www.mueritzeldewasserstrasse.de

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